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Gordon Seymour: Die Zeiten einer traditionellen Vorstandsstruktur sind vorbei

Gordon Seymour: Die Zeiten einer traditionellen Vorstandsstruktur sind vorbei

Foto: Gordon Seymour ist nicht nur der Vereinschef des SC Rinteln, sondern auch Co-Trainer der 1. Herren-Mannschaft.

Fußball. Im Juni ist Gordon Seymour zwei Jahre im Amt als 1. Vorsitzender des SC Rinteln. Im Gespräch mit Rinteln-Sport gibt der 59-Jährige Einblicke über die Vorstandsarbeit beim Bezirksligisten, spricht über Höhen und Tiefen in seiner Amtszeit, blickt auf die Jugendarbeit, die Kooperation mit Arminia Bielefeld und Zukunftsaussichten des SC Rinteln.

Du bist seit fast zwei Jahren als Vereinschef beim SC Rinteln im Amt. Hast du dir die Aufgabe so vorgestellt?

Ich hatte nie die Illusion, dass die Rolle des Vorsitzenden einfach sein würde. Ich sah die Position sowohl als große Chance, als auch Herausforderung an. Beides hat sich bewährt! Ich muss sagen, dass durch die Unterstützung meiner Vorstandskollegen, aller Trainer und Betreuer, Spieler auf allen Ebenen, Eltern, Sponsoren und Fans, der Übergang in den letzten 21 Monaten viel einfacher war, als ich erwartet hatte. Ich darf die kontinuierliche Unterstützung nicht vergessen, die ich von Kollegen und Freunden anderer Vereine in der Region erhalte.

Was war bislang dein schönster und was dein traurigster Moment während deiner Amtszeit?

Ich bin drei- bis viermal pro Woche am Steinanger. Es zaubert mir immer ein breites Lächeln ins Gesicht, wenn junge Spieler, ihre Trainer und viele Eltern auf mich zukommen und fragen: „Wie geht es dir, Gordon?“ Es geht natürlich in beide Richtungen und ich versuche, mich sehr für die Aktivitäten und Menschen auf allen Ebenen in unserem Verein zu interessieren. Schließlich ist dies das Hauptziel unseres Vereins, das soziale Engagement durch Fußball in jedem Alter zu fördern. Ich habe in kurzer Zeit viele Menschen sehr gut kennengelernt und das macht mich sehr glücklich. Ich bin froh, dass wir wirklich eine große, freundliche Familie im SC Rinteln sind. Und natürlich gibt es in Familien gelegentlich Meinungsverschiedenheiten!

Die traurigste Zeit war natürlich nicht nur für mich, der Tod unseres lieben Freundes Dieter „Theo“ Merchel im letzten Jahr. „Theo“ war ein überlebensgroßer Charakter, der die Herzen so vieler Menschen beim SCR, in Rinteln und Schaumburg berührte. Wir vermissen ihn sehr. Ich habe immer noch bei jedem Spiel der 1. Herren seinen Spielerpass dabei, damit er bei uns ist, wo immer sein geliebter SC Rinteln spielt.

Es wird immer schwieriger, Menschen für die Vereinsarbeit zu begeistern. Hat der SCR auch Nachwuchssorgen bei der Vorstandsarbeit?

Die Zeiten einer traditionellen Vorstandsstruktur und eines traditionellen Vorstandszwecks sind meines Erachtens vorbei. Wir leben nicht mehr in den neunziger Jahren. Die Welt verändert sich schnell und die Geschwindigkeit des Wandels beschleunigt sich. Die Führung eines Fußballclubs unterscheidet sich nicht von den Herausforderungen, vor denen kleine Unternehmen stehen. Da sich die Geschäftswelt anpassen musste, müssen wir uns auch auf eine modernere, effektivere Managementstruktur und -praxis mit deutlich weniger Bürokratie und Rechenschaftspflicht einstellen.

Infolgedessen führen wir langsam das Konzept des Stammesmanagements ein. Ein Stamm ist eine Gruppe von Menschen, die miteinander, mit einer Führungskraft und mit einer Idee oder Vision verbunden sind. Einfacher ausgedrückt, wenn eine Person in der Vereinsmitgliedschaft Leidenschaft und Ideen hat, müssen wir sie ermutigen, vorwärts zu treten und ihren eigenen Stamm oder in unserem Fall die „Arbeitsgruppe“ zu führen. Beim SC Rinteln haben wir derzeit Arbeitsgruppen, die von Personen geleitet werden, die nicht unbedingt im Vorstand sind und wichtige Initiativen vorantreiben. Dazu gehören neue Sponsoren gewinnen, Präsenz in den sozialen Medien erhöhen, Wartung und Reparatur von Einrichtungen am Steinanger. Wir werden Menschen suchen, die in Bereichen wie Marketing, Vereinsveranstaltungen und Jugendentwicklung, Führungsstämme übernehmen können. Wenn wir in Zukunft eine typische Vorstandsstruktur beibehalten, wäre ich besorgt. Durch die Einführung von Arbeitsgruppen sehe ich die Zukunft viel besser und effektiver aufgeteilt.

Der 59-Jährige bekommt viel Unterstützung vom Vorstandsteam und den Arbeitsgruppen um Karin Bader und Dirk Böhning (rechts).
Der 59-Jährige bekommt viel Unterstützung vom Vorstandsteam und den Arbeitsgruppen um Karin Bader und Dirk Böhning (rechts).

Nach dem ersten Abstieg aus der Bezirksliga schaffte der SC Rinteln mit vielen Eigengewächsen den sofortigen Wiederaufstieg und hielt locker die Klasse. Im Sommer verließen dann viele Spieler den Verein und suchten neue Herausforderungen. Den Verlust konnte Trainer Uwe Oberländer nicht auffangen. Die Erste trudelt dem Abstieg entgegen. Wie groß ist der Frust bei den Verantwortlichen, die Eigengewächse nicht halten zu können?

Um ehrlich zu sein, waren wir eher enttäuscht als frustriert von der Situation, dass so viele Spieler gleichzeitig den Verein verließen. Die individuelle Motivation ist für jeden Spieler unterschiedlich, der einen Verein verlassen möchte. Sei es für Geld, Umzug zum Lernen, größere sportliche Herausforderungen und Erfahrungen oder einfach nur einen Szenenwechsel. Die sozialen Möglichkeiten für junge Menschen außerhalb des Fußballs sind heute immens und weitreichend. Wir müssen diese Tatsache einfach akzeptieren und gleichzeitig versuchen, mit dieser Realität zu konkurrieren. Es war eine Herausforderung, so viele einheimische Spieler zu dieser Zeit verloren zu haben. Wir mussten die Situation jedoch akzeptieren und trennten uns zu sehr guten Konditionen. Wir sind weiterhin stolz darauf, eine solche Gruppe von Spielern entwickelt zu haben, und unsere Philosophie bleibt es auch in Zukunft. Die Herausforderung besteht für uns darin, sicherzustellen, dass wir weiterhin wichtige Talente aus unseren Jugendmannschaften entwickeln und dass der SC Rinteln in der gesamten Region ein attraktiver Verein bleibt. Die Tatsache, dass sich Trainer Uwe Oberländer auf absehbare Zeit dem Verein verpflichtet hat, bestätigt sein persönliches Engagement, seinen Charakter und seinen Glauben an das, was wir erreichen wollen. Wir dürfen nicht vergessen, dass der SC Rinteln mehr ist, als nur die 1. Herren-Mannschaft. Obwohl die Erste sehr wichtig ist, liegt unser Fokus für die Zukunft auf der Entwicklung einheimischer Talente. Dies beginnt mit einer erneuten, soliden Grundlage an der Basis.

Der SC Rinteln ist einer der wenigen Vereine im Kreis, der sämtliche Jugendmannschaften ohne Spielgemeinschaft bestücken kann. Es ist nicht leicht, für die jeweiligen Teams gute und engagierte Trainer zu finden. Wie siehst du den Jugendbereich beim SCR aufgestellt?

Es gab sicherlich Zeiten in der Vergangenheit, da hat es beim SC Rinteln an hochwertigen Trainern in unserer Jugendstruktur gemangelt. Mit der neuen Sponsoreninvestition freuen wir uns jedoch, dass in den letzten Monaten mit Yarow Hüper, Kai Möller und Marco Buchmeier drei neue Mitarbeiter hinzugekommen sind. Die Begeisterung ist wichtig und wir haben ein sehr engagiertes und enthusiastisches Team von Trainern und Betreuern, die die Fähigkeit und Qualifikation haben, in die wir in Zukunft investieren werden.

Der SC Rinteln investiert viel Zeit und Geld in die Jugendarbeit, verliert aber dann beim Wechsel in den Herrenbereich junge Leute an die Nachbarvereine. Bleibt die Nachwuchsarbeit beim SCR unangetastet?

Unser Fokus liegt und wird immer auf der Jugendarbeit liegen. Wir wollen den Nachwuchs entwickeln und für den SC Rinteln begeistern. Es wurden in den vergangenen Wochen viele Gespräche mit den A-Junioren-Spielern geführt. Und ich freu mich, dass die A-Junioren, die weiterhin Fußball spielen möchten, beim SC Rinteln bleiben werden. Zu Beginn dieser Saison haben wir die Kommunikation zwischen der A-Jugend und dem Herrenbereich viel enger und effektiver aufgestellt, und das hat sehr gut funktioniert. Aufgrund der aktuellen Situation freuen wir uns, dass viele A-Junioren-Spieler bereits in den Herrenmannschaften trainieren und spielen.

In Rinteln gibt es neben dem SCR noch die Jugendspielgemeinschaften Blau-Rot-Weiß und Süd-Weser. Es spielt aber nur der SCR mit seinen A- und C-Junioren im Bezirk. Wäre es nicht sinnvoll, einen Jugendförderverein zu gründen, wo die besten Jugendfußballer in einer Leistungs- und einer Breitensportmannschaft von der E- bis zur A-Jugend zusammenkommen. Das hätte den Vorteil, dass die Jugendlichen über sechs Jahre im Bezirk spielen und dort gefordert werden. Im Kreis finden ja in den einzelnen Spielklassen nicht mehr als 15 Saisonspiele statt. Welche Meinung hast du zu diesem Thema, denn viele Vereine gehen diesen Weg und bilden JFVs?

Dies ist ein wichtiges Thema, das offen untersucht werden muss, und ich würde eine solche Diskussion zwischen den örtlichen Clubs rund um Rinteln begrüßen. Die Entwicklung eines JFV wirft viele schwierige Fragen auf: Gesamtstruktur, E- bis A-Jugend oder nur C- bis A-Jugend, Vorstandsbildung, JFV-Konzept und -Ziele, Integration von Freiwilligen aus den Beitrittsvereinen, Verteilung von Spielern aus der Jugend in die Herrenmannschaften der Stammvereine, um ein paar Bespiele zu nennen. Wir müssen die Tür öffnen und alle Möglichkeiten ausloten.

Der SC Rinteln hat eine Kooperation mit Arminia Bielefeld. Wie sieht die Zusammenarbeit aus? Was macht der Zweitligist für den SCR?

Durch unsere bestehende Partnerschaft mit Arminia Bielefeld haben wir seit Januar 2019 die Möglichkeit, mit den oben genannten Partnern in den nächsten Jahren an verschiedenen Modulen teilzunehmen.

Modul 1: Trainerschulung 2019/20; Das Ziel dieses Moduls ist, Methodenkompetenz der Jugendtrainer auszubauen und sie in ihrer Vorbildrolle zu stärken. Die SCR-Jugendtrainer nehmen gemeinsam an Schulungen im Nachwuchsleistungszentrum von Arminia Bielefeld teil. Sechs Workshops sind geplant und fünf Workshops haben im Jahr 2019 und in diesem Jahr schon stattgefunden. Zu den Inhalten gehörten Respekt auf und neben dem Platz, Elternarbeit im Fußballverein, Kommunikation in Vereinen, soziale Medien in Vereinen und viele andere Themen.

Modul 2: Schulung und Beratung von Schlüsselpersonen im Verein; Für uns geht es in diesem Modul darum, wer wir sind und welche Schritte wir unternehmen können, um unsere Vision zu entwickeln und umzusetzen. Unser Fokus dieses Moduls wird in den kommenden Monaten beginnen. Zusätzlich zu diesem Projekt umfassten die jüngsten Diskussionen, Teambesuche und Einladungen zu Spielen in der SchücoArena und hoffentlich ein geplantes Jugendspiel, das am Steinanger stattfinden soll.

Wo siehst du den SC Rinteln in fünf bis zehn Jahren?

Den SC Rinteln gibt es seit 109 Jahren. Ich hoffe, wir werden in weiteren 109 Jahren noch da sein. Natürlich müssen wir uns an die Zeiten der kommenden Jahre anpassen, wenn wir erfolgreich sein wollen. Das glaube ich wird der Fall sein. Wer den Club in 5 oder 10 Jahren leiten wird? Nun, das ist eine andere Frage.

Eine Krise kann auch immer für einen Aufbruch stehen. Glaubst du, dass der Corona-Virus und seine Folgen für die Gesellschaft eventuell das Miteinander der Menschen verändern wird?

Ich bin im Herzen ein Optimist und glaube immer an das beste im Menschen. Wenn eine Krise eintritt, bringt dies Menschen mit einem gemeinsamen Ziel und Glauben an das Gemeinwohl der Gesellschaft zusammen. Wenn wir das Licht am Ende dieser Krise sehen, werden die Menschen vielleicht zurückblicken und über die enormen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf uns selbst, unsere Familien und die Gemeinschaft nachdenken und mit mehr Mitgefühl, Zusammenarbeit und Freundlichkeit nach vorne schauen. Das kann nur gut sein.

Seite an Seite: Coach Uwe Oberländer (rechts) und Seymour kümmern sich sehr intensiv um die Belange der Herrenmannschaften.
Seite an Seite: Coach Uwe Oberländer (rechts) und Seymour kümmern sich sehr intensiv um die Belange der Herrenmannschaften.